Ukraine: "Wir müssen uns logistisch auf einen langen Krieg einstellen"

Alin Ușeriu leitet die rumänische Hilfsorganisation Tășuleasa Social, eine Partnerorganisation der Johanniter. Sie arbeitet mit vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und ist über die Landesgrenzen vernetzt. Alin war selbst viele Jahre für die Johanniter in Deutschland tätig und organisiert die Hilfe an der Grenze zur Ukraine.  Im Interview schildert er die derzeitige Situation.

Alin Ușeriu leitet die rumänische Hilfsorganisation Tășuleasa Social, eine Partnerorganisation der Johanniter.

Wie ist die Lage an der rumänisch-ukrainischen Grenze?

Es gibt zwei große Grenzübergänge in Nordrumänien. Vor einigen Tagen war ich am Übergang Siret, der in Zukunft als grüner Korridor infrage käme. Das heißt: Flüchtlinge kommen raus, Hilfsgüter kommen rein. Jetzt ist es jedoch so, dass sich dort die vielen Hilfsgüter von kleinen privaten Hilfstransporten stauen. Nur wenige trauen sich oder haben die Möglichkeit, in die Ukraine zu gelangen. Es gibt aber auch Lieferungen, die mit Regierungsunterstützung oder durch große Organisationen durchkommen.

Ist die Grenze aber offen für Flüchtende?

Im Prinzip können alle Geflüchteten nach Rumänien kommen. Aufgrund der Sprache bevorzugen viele Flüchtende statt Rumänien jetzt aber eher die Republik Moldawien als Zielpunkt. Es gibt eine größere Nähe zwischen beiden Ländern. Daher ist es wahrscheinlich, dass Moldawien in nächster Zeit viel stärker ein Fluchtziel wird.

Wie viele Menschen kommen täglich über die Grenze nach Rumänien?

Ich schätze, dass es mehr als 20.000 pro Tag sind, von denen die meisten versuchen weiterzufahren. Die ersten Menschen, die die Ukraine verlassen haben, kommen aus der Mittel- und Oberschicht, welche die Flucht finanziell selbst stemmen können. Was uns klar sein muss: Es werden in einer zweiten Welle Menschen kommen, die sehr arm und nicht auf Durchreise sind. Sie werden hierbleiben, um in der Nähe ihrer Heimat zu verweilen. Von Partnern aus der Republik Moldawien haben wir Berichte bekommen, wonach dort 70.000 Menschen ausharren, die nicht weiterreisen können oder wollen. Für ein Land mit 1,5 Millionen Menschen ist das auch deshalb eine große Herausforderung, weil sie nicht in der Europäischen Union sind.

Die Hilfsgüter werden für die Ukraine vorbereitet und liebevoll von Helfern beschriftet. Die Windeln sind für Kinder in der Ostukraine bestimmt.

Wie tun ihre Organisation und die Menschen, um zu unterstützen?

Ich möchte mein Land Rumänien mit all seinen Problemen nicht zu sehr loben, aber Rumänien hat nach 30 Jahren Hilfe durch andere Länder endlich die Chance zu zeigen, dass sie selbst Hilfe leisten kann. Und das versuchen wir. Die Menschen hier tun, was sie können. Gerade bereiten wir 44 Paletten für die Ukraine vor, die Babynahrung, Windeln, Hygieneartikel und medizinisches Material enthalten, welches die Johanniter gebracht haben. Das wird dringend in der Ukraine benötigt und wir werden versuchen, diese am Montag mit einer lokalen Organisation und weiteren Hilfsgütern ins Land zu bringen. Sie sind für Kinder in der Ostukraine bestimmt.

Wie geht es in den nächsten Wochen für Sie und ihre Helfer weiter?

Wir haben noch mindestens vier kalte Wochen vor uns, daher werden vor allem Decken oder Schlafsäcke benötigt. Neben der medizinischen Hilfe wird auch die psychologische Betreuung wichtig werden. Wichtig ist, eine Infrastruktur für längere Zeit zu errichten. Der Krieg wird andauern, aber nicht unbedingt die jetzige Welle der Solidarität. Es müssen deshalb Vorräte angeschafft werden, um die kontinuierliche Versorgung für Menschen zu gewährleisten, die in Rumänien bleiben. Wir haben in der Stadt Bistritz eine große Lagerhalle eingerichtet, von der wir schnell die Grenzübergänge innerhalb von 2-3 Stunden erreichen können. An der Grenze haben wir zusätzliche Lagerkapazitäten gefunden. Denn klar ist, dass wir uns logistisch auf einen langen Krieg einstellen müssen.

Angekommene Hilfsgüter werden in der Lagerhalle in Bistritz in Rumänien sortiert und umgepackt.

Die Johanniter und „Aktion Deutschland Hilft“ rufen zu Spenden für die Betroffenen der Ukraine-Krise auf:
Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
Stichwort: „Ukraine“
IBAN: DE94 3702 0500 0433 0433 00 (Bank für Sozialwirtschaft)

Aktion Deutschland Hilft
Stichwort: „Ukraine“
IBAN: DE62 3702 050000001020 30 (Bank für Sozialwirtschaft)

Hinweis an Redaktionen:
Interviewpartner der Johanniter stehen zur Verfügung.

Nothilfe Ukraine

Nothilfe Ukraine

Hunderttausende sind auf der Flucht und brauchen unsere Unterstützung. Wir helfen vor Ort!

Mehr lesen